Zu­kunft der Ge­bäu­de­tech­nik in Ge­fahr

„In un­se­rer Bran­che be­steht ein deut­lich sicht­ba­res Aus­bil­dungs­pro­blem“

Man­gel an Fach­per­so­nal und wenig Sicht­bar­keit für die Bran­che: Die Zu­kunft der Ge­bäu­de­tech­nik ist in Ge­fahr. Was muss sich drin­gend än­dern, was kön­nen Un­ter­neh­men dafür tun und wie steht es um die Zu­kunft der Aus­bil­dung? Ein In­ter­view mit einem Ex­per­ten gibt Auf­schluss.

Werner Betschart ist seit 1994 Dozent und Lehrbeauftragter für Heizungstechnik an der HSLU-Luzern und führte selbst jahrelang eine Gebäudetechnikfirma. Aufgrund seiner Praxistätigkeit und seinem langjährigen Engagement im Ausbildungsbereich der Gebäudetechnik, kennt er die aktuellen Probleme der Branche, weiss aber auch um die Chancen, die ein Wandel mit sich bringt.

Werner Betschart

Die drin­gends­te Frage zu­erst: Haben wir in un­se­rer Bran­che ak­tu­ell ein Aus­bil­dungs­pro­blem?

Ja, in unserer Branche besteht ein deutlich sichtbares Ausbildungsproblem. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften wird immer spürbarer. An der Fachhochschule in Horw bildeten wir in den letzten Jahren 25 bis 35 HLKS-Ingenieur:innen pro Jahr aus. Die Gebäudebranche benötigt jedoch heute pro Jahr mindestens 70 bis 80 Abgänger:innen. Dieser Mangel an Fachpersonal ist auf allen Bildungsebenen und anschliessend in der Branche spürbar. Ob wir dies je wieder in den Griff bekommen und genügend qualifizierte Mitarbeiter:innen haben werden, bezweifle ich. Denn ich sehe, wie viele Fachleute in Pension gehen und wie viele junge Menschen ins Erwerbsleben einsteigen. Das geht so nicht auf.

Es ist wichtig, dass die Branche zusammenrückt und mit der Industrie, den Verbänden und den Bildungseinrichtungen eine Strategie entwickelt, wie man schon auf der Sekundarstufe junge Menschen für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), zu denen ich auch die Gebäudetechnik zähle, sensibilisieren kann. Zu überlegen ist auch der Ansatz sogenannter „Art Summer Schools“ (erweiterte Schnupperlehre), welche die Branche über zwei bis vier Wochen für die 1. und 2. Oberstufenklasse anbietet. Wir sind jedoch nicht allein mit diesem Problem, andere Branchen haben dieselben Herausforderungen!

Braucht es ge­ne­rell also mehr Sicht­bar­keit für die Bran­che?

Sicher wird das Image der Baubranche eine Schlüsselrolle im Thema Sichtbarkeit einnehmen. Denn, wer will in eine Branche mit «Bauchnutschis» (Bausprache, Stress, keine Zeit, Verantwortungsfragen, schmutzige Arbeit) einsteigen und dann über Jahrzehnte in dieser bis zur Pension arbeiten? Mit dem Auftreten von «Wir, die Gebäudetechniker» ist ein Schritt getan, dieses „alte“ Image zu verabschieden, weitere Schritte sollten folgen.

Wieso sol­len sich also junge Per­so­nen im Be­reich der Ge­bäu­de­tech­nik aus- oder wei­ter­bil­den?

Eine Aus- oder Weiterbildung im Bereich der Gebäudetechnik bietet jungen Menschen vielfältige Chancen. In einer Welt, die zunehmend auf nachhaltige Lösungen setzt und ökologische Herausforderungen zu meistern sind, sind Kompetenzen in gebäudetechnischen Systemen und innovativen Technologien von unschätzbarem Wert. Die Gebäudetechnik-Branche verspricht nicht nur berufliche Stabilität, sondern auch die Möglichkeit, an der Gestaltung zukunftsweisender Infrastruktur-, Energie- und Gebäudesystemen mitzuwirken, eigene Wege zu gehen und Verantwortung zu übernehmen. Es ist eine sinnhafte Tätigkeit, mit der man etwas Gutes für die Umwelt tut.

Und was ist Ihre per­sön­li­che Mo­ti­va­ti­on des lang­jäh­ri­gen En­ga­ge­ments im Aus­bil­dungs­be­reich der Ge­bäu­de­tech­nik?

Mein langjähriges Engagement im Ausbildungsbereich der Gebäudetechnik gründet auf der tiefen Überzeugung, dass die Förderung junger Menschen essenziell für die nachhaltige Entwicklung unserer Branche ist. Der Wunsch, meine Kompetenzen weiterzugeben und angehende Fachkräfte zu inspirieren und zu fordern, treibt mich bis heute an. Nur exzellent gebildete Menschen ermöglichen den Fortschritt und die Innovation, die wir in Zukunft mehr denn je benötigen.

Wie sehen Sie die Zu­kunft der Aus­bil­dung? Was sind die Schwer­punk­te resp. wel­che In­hal­te wären wich­tig?

Der Bildungskorb soll mit profunden Kompetenzen von naturwissenschaftlichen Grundlagen, spezifischen praxisorientierten Fachkenntnissen, verstärkter Integration digitaler Technologien (Digital Skills), Methoden- und Projektmanagement und interdisziplinären Ansätzen gefüllt sein. Soft Skills wie Teamarbeit und Kommunikation sollen gefördert werden, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden.

Was kön­nen wir als Un­ter­neh­men spe­zi­fisch dafür tun, dass der Beruf at­trak­ti­ver wird?

Von einer Tatsache können wir ausgehen: Die Branche wird nicht mehr Mitarbeitende auf dem Arbeitsmarkt finden, um die Herausforderungen heute und in Zukunft zu meistern. Das bedeutet, dass auf die einzelnen Mitarbeitenden in Zukunft mehr an Arbeitsumfang und -inhalten zukommen wird. Daher sind zuerst moderne Arbeitsbedingungen auf einer wertschätzender, gesundheitsfördernder Grundlage in einer inspirierenden Arbeitsatmosphäre mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten die Basis, um ein ausgewogenes Verhältnis in der Work-Life-Balance für alle Mitarbeitenden zu schaffen.

Die Mehrarbeit, welche auf die Mitarbeitenden zukommen, müssen aus meiner Sicht vorwiegend durch arbeitstechnische Innovationen wie der Integration von BIM und KI aufgefangen werden. Der Computer muss in Zukunft, noch mehr als wir denken, unser Arbeitspartner und in unsere tägliche Arbeit integriert werden. Innovative und zukunftsorientierte Arbeitgebende gehen zusammen mit den Mitarbeitenden in diese Richtung und generieren individuelle als auch die für alle Mitarbeitenden ausgerichtete Weiterbildungspfade. Gepaart ist dies mit einer starken Eigenmotivation der Mitarbeitenden die Zukunft selbst mitzugestalten.

Nach der Grundausbildung sind die Themen, die Qualität, die Tiefe und die Regelmässigkeit entscheidende Kriterien für die Weiterbildung. Fachtechnik, Arbeitstechnik, immer wieder die Integration neuer Digital Skills, soziale, ethische, geschichtliche und gesellschaftliche Themen sollen in einem guten Mix die Themen der regelmässigen Weiterbildung sein. Die heute verfügbaren Kommunikationsmittel erlauben ein schlankes Konstrukt einer kontinuierlichen Weiterbildung für alle Mitarbeitenden. Um neue Technologien wie zum Beispiel BIM in den Arbeitsprozess zu integrieren, bedingt es längere individuelle und spezifische Weiterbildungen.

Und nicht zu vergessen ist das informelle Lernen: Also das Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist nicht strukturiert (keine Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) und es führt üblicherweise nicht zu einem Diplom. Es formt uns. Denken wir an die Einführung von TEAMS: Wer hat einen Kurs besucht? Ich denke, die wenigsten! Doch, sind wir effizient? Ich denke schon.

Dies sind innerbetriebliche Aspekte, um den Mitarbeitenden ein lebenslanges Lernen zu ermöglichen und den Beruf, die tägliche Arbeit, das Arbeitsumfeld, die Arbeitsatmosphäre, die Freude am Job attraktiver und zukunftsfähig zu gestalten. Alle, die Mitarbeitenden und die Unternehmung sind gefordert, hier ihren individuellen Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen.

Was kann ein Un­ter­neh­men aus­ser­be­trieb­lich an­bie­ten?

Die Branche, ob Verbände oder Schulen, benötigt immer wieder ausgewiesene Fachleute mit einem theoretischen und praktisch/praxisbezogenen Background. Einerseits um Richtlinien oder Normen zu erarbeiten, anderseits um junge Berufsleute zu unterrichten. Dieses Unterrichten an der Front, an Berufsschulen oder höheren Fachschulen, bietet Firmen eine hervorragende Möglichkeit den Berufsnachwuchs für das Arbeiten in der Branche vorzubereiten und auszubilden. Dies ist eine sehr wichtige Investition in zukünftige Generationen. Mitarbeitende und Unternehmen sind gefordert, die Zukunft der Branche zu gestalten.

Wir bei eicher+pauli legen viel Wert auf individuelle Weiterbildungspfade und ermöglichen unseren Mitarbeitenden ein lebenslanges Lernen, sei es im Unternehmen selbst oder auch ausserhalb. Zudem organisieren wir regelmässig am Donnerstag über den Mittag eine „ERFA“ – kurz für Erfahrungsaustausch – also einen virtuellen Lerninput, wo Externe, aber auch Mitarbeitende zu einem Thema informieren und so ihr Wissen weitergeben können.

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